Neue Regelungen, alte Gewohnheiten

10.01.2014

Puppe mit Geldschein in HandIm Oktober letzten Jahres ist das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, auch bekannt als Anti-Abzock-Gesetz, in Kraft getreten (wir berichteten hier). Eine der entscheidenden Neuerungen im Hinblick auf das Urheberrecht, ist die Änderung des § 97a UrhG, der sich mit dem gerade bei Filesharing beliebten Instrument der Abmahnung beschäftigt. § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG n.F. begrenzt den Gegenstandswert, der für die Berechnung der Rechtsanwaltskosten maßgeblich ist, auf 1.000,00 €. Dies gilt bei Abmahnungen gegenüber natürlichen Personen, für den Fall, dass die Werke nicht zu gewerblichen Zwecken genutzt werden und auch anderweitig noch keine Verpflichtung zu einer Unterlassung besteht. Für den Einzelnen scheint dies zunächst eine erfreuliche Entwicklung in Anbetracht dessen, dass zuvor Abmahnkanzleien wegen einzelner Film- oder Musikwerke durchaus auch hohe Gegenstandswerte von 10.000,00-50.000,00 € angesetzt haben und dadurch immens hohe Rechtsanwaltskosten generierten.

Nachdem das Gesetz nun seit ca. drei Monaten in Kraft ist, stellt sich die Frage, wie die gesetzliche Regelung im leider gerade bei Urheberrechtsverletzungen an Musik- oder Filmwerken doch alltäglichen „Abmahnwahn" umgesetzt wird und welche Auswirkungen sie für den einzelnen Abgemahnten hat.

 

 

Wer darauf setzt, dass den bekannten Abmahnkanzleien angesichts der gesetzlichen Neuregelung nichts anderes übrig bleibt, als die Deckelung der Abmahnkosten hinzunehmen, wird enttäuscht. Der Gesetzgeber selbst hat § 97a UrhG bereits in gewissem Rahmen „aufgeweicht", indem er in § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG die Begrenzung der Kosten für die Fälle ausschließt, in denen aufgrund von besonderen Umständen des Einzelfalls eine Deckelung unbillig wäre. Dieser Begriff lässt nun großen Argumentationsspielraum, insbesondere, da keine weitere gesetzliche Definition erfolgt ist und es somit späterer Rechtsprechung überlassen bleibt, hier Klarheit zu schaffen. Wie zu erwarten war nutzen einige Abmahnkanzleien dieses Einfallstor natürlich gerne, um ihre Anwaltskosten unter Berufen auf Unbilligkeit weiterhin aus höheren Gegenstandswerten zu berechnen.

Betrachtet man die Abmahnungen einiger einschlägig bekannter Abmahnkanzleien vor der Einführung des Anti-Abzocke-Gesetzes und nach dessen Einführung, lassen sich interessante Veränderungen feststellen. Die Abmahner haben sich findige Lösungen einfallen lassen, um angesichts der Neuregelung drohenden finanziellen Einbußen soweit wie möglich entgegenzusteuern.

Die Kanzlei Waldorf Frommer beispielsweise hält sich zunächst scheinbar an die gesetzliche Neuregelung und begrenzt den zugrunde gelegten Gegenstandswert tatsächlich auf 1000,00 €. Noch im September 2013 hatte die Kanzlei aus einem Gegenstandswert von 10.000,00 € unter Ansetzen einer 1,0 Gebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zuzüglich Auslagenpauschale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 578,00 € gefordert. Nach dem Anti-Abzock-Gesetz verlangt sie nur noch Aufwendungen für Anwaltskosten in Höhe von 215,00 €. Schaut man allerdings genauer hin, fällt auf, dass Waldorf Frommer gleichzeitig den Wert des geltend gemachten Schadensersatzes erhöht hat. So wurde früher in einer Abmahnung wegen Filesharings eines Filmwerkes ein Schadensersatz von 450,00 € gefordert, wohingegen für einen vergleichbaren Verstoß seit der Gesetzesänderung ohne weitere Erklärung mindestens 600,00 € gefordert werden. Ergebnis hiervon ist, dass sich die Kosten für den Abgemahnten trotz Neuregelung nicht wesentlich vermindert haben. Hat Waldorf Frommer früher bei 578,00 € Anwaltskosten und 450,00 € Schadensersatz einen Gesamtbetrag von 1.028,00 € verlangt (vor Erhöhung der Abrechnungssätze im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz im Sommer 2013 noch 956,00 €), so soll der Betroffene nach dem Anti-Abzock-Gesetz 215,00 € Anwaltskosten plus 600,00 € Schadensersatz und folglich immerhin auch 815,00 € zahlen.

In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass Waldorf Frommer seine Aufwendungen nicht aus einem Gegenstandswert von 1000,00 € berechnet, wie es vom Gesetzgeber vorgesehen war, sondern zunächst den Wert des Schadensersatzanspruchs (bei Filmen neuerdings eben die 600,00 €) zu den 1000,00 € hinzu addiert. Anschließend setzt die Kanzlei inzwischen statt einer 1,0 eine 1,3 Gebühr an und kommt somit inklusive der Auslagenpauschale von 20,00 € insgesamt auf den Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 215,00 €. Würde man die Rechtsanwaltskosten aus 1000,00 € berechnen, käme man lediglich auf einen Wert von um die 150,00 €. Diese Addition der Kosten für den Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch zur Ermittlung des Gegenstandswertes ist allerdings dogmatisch verfehlt.

Aber nicht nur Waldorf Frommer hat sich von der Neuregelung zu spannenden Ideen inspirieren lassen.

Die Kanzlei FAREDS aus Hamburg hat 2012 bei Abmahnungen wegen Musiktiteln aus sogenannten Chartcontainern noch Vergleichsangebote zur Beilegung des Rechtsstreits durch Zahlung von 450,00 € gemacht. Diesem Betrag lag nach ihren eigenen Schreiben neben Schadensersatz auch eine Forderung von Anwaltskosten aus einem Streitwert von 10.000,00 € zugrunde. Neuerdings, nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 97a UrhG, verlangt FAREDS für einen vergleichbaren Urheberrechtsverstoß einen Betrag von 339,00 €. In Anbetracht der Tatsache, dass die Kanzlei nach eigener Aussage die Neuregelung berücksichtigt und damit ein Streitwert von lediglich 1.000,00 € zugrunde gelegt hat, könnte man berechtigterweise auf die Idee kommen, es müsste allein nach mathematischen Gesichtspunkten eine größere Differenz der beiden Beträge bestehen. Die Realität sieht anders aus. Eine Erklärung wie es dazu kommen kann bleibt FAREDS, wie zu erwarten war, schuldig.

Abschließende Klärung dazu, ob dieser Vorgehensweisen rechtens sind, kann nur eine Positionierung der Rechtsprechung bringen. Bis dahin werden sich die Abmahnkanzleien wohl noch weitere Ideen einfallen lassen, um die Neuregelung in § 97a UrhG für sie möglichst günstig auszulegen. Wir werden die Entwicklung mit großem Interesse weiter beobachten.