Modifizierte Unterlassungserklärung ohne Anwalt reicht - oder?

Worin liegt überhaupt Ihr Mehrwert gegenüber der modifizierten Unterlassungserklärung, die ich überall im Internet herunterladen kann?

 

Im Internet, beispielsweise im Netzwelt-Forum oder in Kommentardiskussionen kommt immer wieder die Empfehlung auf, man brauche weder Beratung noch eine fundierte Einlassung, es würde stattdessen ausreichen, das Musterformular der modifizierten Unterlassungserklärung herunter zu laden und per Einschreiben an die Abmahnanwälte zu schicken. Anforderungen für die Bezahlung von Abmahnkosten und weitere Korrespondenz der Abmahnanwälte wird schlicht ignoriert, damit habe man das Problem schnell und kostengünstig erledigt.
Tatsächlich wird dieser Lösungsansatz häufig gewählt. Es führt in den meisten Fällen auch zum gewünschten Ergebnis. Dennoch sind wir der Meinung, dass er mit vermeidbaren Risiken behaftet ist.

1. Erhöhte Wahrscheinlichkeit verklagt zu werden

Es gibt keine unabhängige Erhebung darüber, wie viele Klagen wegen Filesharings erhoben werden und welche Selektion die Abmahnanwälte dabei vornehmen. Wir wissen mit Sicherheit, dass die Mehrheit der Fälle nicht vor Gericht entschieden werden, allerdings belegen die zahlreichen veröffentlichten Urteile, dass die Klageerhebung häufig vorkommt; es handelt sich nicht mehr nur um einen Ausnahmefall, um Musterurteile zu erstreiten. Bei einzelnen Abmahnanwälten wird sogar behauptet, dass die Mehrzahl der Fälle vor Gericht gehen. Im Frühjahr 2011 verzeichneten wir den neuen Trend, dass Mahnbescheide beantragt und erlassen werden.
Eine durch Forumsauswertung und Anwaltsbefragung durchgeführte Jahresstatistik kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Klagen an einer Hand abgezählt werden könne. Dieses Ergebnis ist sicherlich falsch, lässt sich jedoch mit der Erhebungsmethode erklären. Wenn man spezialisierte Anwälte befragt, ist die Zahl der dort eingegangenen Klage tatsächlich sehr niedrig. In unserer Kanzlei wurde bei über 500 bearbeiteten Abmahnungen im Jahr 2010 keine einzige Klage gegen einen von uns vertretenen Abgemahnten erhoben.
Wenn wir jedoch Klagen zur Beurteilung vorgelegt bekommen haben, waren dies in der Regel Betroffene, die den Weg gewählt haben, ohne Anwalt eine modifizierte Unterlassungserklärung erbzugeben und weitere Korrespondenz zu ignorieren.
Wir sind der Meinung, dass mit diesem Weg die Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Inanspruchnahme steigt.

2. Standardunterlassungserklärung passt nicht auf jeden Fall

Obwohl sich eine große Zahl von Fällen nach dem gleichen Muster bearbeiten lässt, lassen sich nicht alle Fallkonstellationen mit einem Musterformular erschlagen. Eine Unterlassungserklärung hat an mindestens 11 Stellen Möglichkeiten zur Modifikation. Es ist sehr wichtig, ob man sich für eine Rechtsverletzung als Täter oder als Störer unterwerfen will und ob man Vorkehrungen für künftige Abmahnungen treffen will. Gerade das Thema Folgeabmahnungen kann nur dann sachgemäß angegangen werden, wenn der Sachverhalt analysiert wird. Die modifizierte Unterlassungserklärung soll einerseits das Risiko einer künftigen Inanspruchnahme durch Klagen oder zusätzliche Abmahnungen. Auf der anderen Seite soll das Risiko auf Vertragsstrafe in Anspruch genommen zu werden nicht über Gebühr erhöht werden. Wir haben manchmal den Eindruck, dass Betroffen zu leichtfertig eine Verpflichtung für die nächsten 30 Jahre eingehen, die im Falle einer Verwirkung ein Vermögen kosten könnte.
Die Balance zwischen den verschiedenen Risiken zu wählen, hängt auch von der eigenen Risikobereitschaft ab. Diese setzt jedoch voraus, dass man sich der eingegangenen Risiken bewusst ist. Wir glauben daher, dass eine Entscheidung zur Reaktion auf eine Abmahnung nur getroffen werden kann, wenn der Betroffene die Rechtslage vollständig verstanden hat. Wer eine Standardlösung unterschreibt oder in Auftrag gibt, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, damit zumindest in einzelnen Punkten falsch zu liegen.