Kanzlei Jun erstattet Strafanzeige gegen den Softwareberater der Redtube-Abmahner

07.02.2014

Stellvertretend für die von uns vertretenen, aber auch alle übrigen Betroffenen, die Ende letzten Jahres eine Streaming-Abmahnung der Kanzlei Urmann + Collegen erhielten, haben wir kürzlich Strafanzeige gegen Herrn Andreas Roschu, den technischen Berater der Redtube-Abmahner, gestellt. Nach Überprüfung einer von ihm abgegebenen und in den zweifelhaften Auskunftsverfahren vor dem Landgericht Köln vorgelegten eidesstattlichen Versicherung sind ihm nach unserer Auffassung falsche Versicherung an Eides statt sowie Beteiligung an (Prozess-)Betrug in gewerblichem Ausmaß vorzuwerfen. Aber auch die übrigen Hintergründe der Streaming-Abmahnwelle haben parallel nicht an Fragwürdigkeit und Zweifelhaftigkeit eingebüßt - ganz im Gegenteil.

Unsere Kanzlei hatte für einige Mandanten Anträge auf Akteneinsicht beim Landgericht Köln gestellt, um nähere Informationen über das Auskunftsverfahren zu erlangen, das den Streaming-Abmahnungen vorausgegangen war. Dabei ergab sich die Erkenntnis, dass das Landgericht Köln tatsächlich in mehreren Fällen fälschlicherweise davon ausgegangen war, dass es sich um die üblichen Filesharing-Fälle handelt und daher die Auskunftsbeschlüsse mehr oder weniger ungeprüft durchgewunken hat. Das Gericht selbst hat zwischenzeitlich Fehler eingestanden und bereits einige Beschlüsse aufgehoben - wenngleich leider nur auf konkrete Beschwerden hin und nicht von Amts wegen im Hinblick auf sämtliche Betroffene.

Begünstigt wurden die fehlerhaften Beschlüsse aber sicherlich auch durch die Antragstellung, bei der sich die Abmahner alle Mühe gegeben hatten, den Eindruck eines üblichen Filesharingfalls nicht zu zerstören. Gesprochen wurde regelmäßig nicht von Streaming, sondern von "Downloads" sowie von einer Software namens "GLADII" einer Firma itGuards, Inc., die solche Downloads protokollieren können soll. Und hier kommt auch Herr Roschu ins Spiel, der als Mitarbeiter von itGuards die ordnungsgemäße Datenerfassung bestätigen soll. Laut der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung war Herr Roschu als technischer Berater für die Kontrolle und Auswertung der Daten zuständig, mit denen die vermeintlichen Rechtsverletzer überführt worden sein sollen. Und diesbezüglich behauptet er, dass die Software die Teilnahme von Internetnutzern an dem Redtube-Portal und die Durchführung des Streamings erfassen sowie die entsprechenden Daten wie IP-Adresse, Zeitpunkt des Abrufs etc. protokollieren könne - und die Vorgehensweise der Software dabei auf "üblichen und gebräuchlichen Internet-Technologien" beruhe. Ein solcher Eingriff in einen Übermittlungsvorgang ist jedoch ohne Mithilfe des Portals oder des Nutzers auf legalem Wege nicht möglich. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt wird nun zu klären haben, ob sich der Berater hierdurch strafbar gemacht hat.

Die Akten aus den Auskunftsverfahren haben also die bereits bestehenden Zweifel an der Seriösität der Redtube-Abmahnungen bestätigt. Auch ein in diesen genanntes Gutachten zur Überprüfung der Datenerfassungs-Software ist mittlerweile im Internet aufgetaucht und wirft mehr Fragen auf als es beantwortet. Zudem fördern Medienberichte immer mehr Umstände zu Tage, die gerade auch die Hintermänner der Abmahnwelle in einem immer dubioseren Licht erscheinen lassen: Zunächst wurde offenbar nicht nur dem Chef, sondern der gesamten angeblichen Rechteinhaber-Firma The Archive AG die Aufmerksamkeit der Medien und Staatsanwaltschaften zuviel, so dass die Firma kurzerhand nicht nur einen neuen Chef, sondern auch eine neue Anschrift bekam. Sodann tauchten Berichte auf, dass die bereits genannte itGuards, Inc. in Kalifornien lediglich einen Briefkasten angemietet hatte - und das auch nur bis Ende 2013.

Doch auch wenn diese Kuriositäten und mögliche Ergebnisse von Überprüfungen der Redtube-Abmahnungen durch Ministerien, Gerichte und Staatsanwaltschaften eine gewisse Genugtuung verschaffen können, wird für die Abgemahnten nach wie vor ein bitterer Beigeschmack verbleiben, werden sie doch aller Voraussicht nach auf den Kosten für ihre Verteidigung und für Gegenmaßnahmen wie etwa Beschwerden gegen Auskunftsbeschlüsse sitzen bleiben. Ein Trost könnte immerhin sein, dass es immer noch unwahrscheinlicher wird, dass die Abmahner zurückgewiesene Ansprüche weiterverfolgen könnten.