OLG Düsseldorf: Keine Verpflichtung des Anschlussinhabers zur Erstattung von Abmahnkosten bei zu weit gefasster, vorformulierter Unterlassungserklärung

10.02.2012

Das OLG Düsseldorf hatte sich in einem Prozesskostenhilfeverfahren mit der Zulässigkeit einer vorformulierten, sich auf das gesamte Werkrepertoire der abmahnenden Rechteinhaber beziehenden Unterlassungserklärung und mit dem möglichen Bestreiten des Anschlussinhabers der IP-Adressermittlung mit Nichtwissen zu beschäftigen.

1. Reichweite einer vorformulierten Unterlassungserklärung

Wir sehen in unserer täglichen Beratungspraxis bei urheberrechtlichen Filesharing-Abmahnungen regelmäßig, dass die abmahnenden Rechteinhaber bzw. deren vertretungsberechtigte Kanzleien sehr weit gefasste, nämlich sich auf das gesamte Werkrepertoire der abmahnenden Rechteinhaber beziehende, Unterlassungserklärung vorformuliert der Abmahnung beifügen. Vertreter dieser Praxis ist u. a. die Kanzlei Rasch, die in den meisten Fällen ein Musikalbum mit den darauf befindlichen Tonaufnahmen abmahnt, jedoch eine vorformulierte Unterlassungserklärung der Abmahnung beifügt, die sich auf das gesamte Werkrepertoire der Rechteinhaberin an dem konkret abgemahnten Musikalbum bezieht.

In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall hatten mehrere Rechteinhaber das Angebot von 304 Audiodateien zum Herunterladen abgemahnt und pauschal vom abgemahnten Anschlussinhaber eine sich auf das gesamte Werkrepertoire der Rechteinhaber beziehende Unterlassungserklärung verlangt. Dies reichte dem OLG Düsseldorf nicht aus, denn der konkrete Urheberrechtsverstoß als Verletzungsvorwurf hätte in der Abmahnung dargelegt werden müssen, wobei zum notwendigem Vortrag der Aktivlegitimation zumindest auch die Zuordnung der Titel zu den einzelnen Rechteinhabern gehört hätte. Ohne eine solche Darlegung sei der in dem Verfahren beklagten Anschlussinhaberin die Abgabe einer wirksamen Unterlassungserklärung gar nicht möglich.

Weiter führt das Gericht aus: „Eine […] auf ihr gesamtes Repertoire gerichtete Unterlassungserklärung konnten die Klägerinnen in Ermangelung einer Individualisierung dieser Stücke nicht verlangen. Es kann dahinstehen, ob die Verletzung der Rechte an einzelnen Musiktiteln einen Anspruch auf eine das ganze Repertoire der Gläubigerin umfassende Unterlassungsverpflichtung vermittelt. Die Klägerinnen selbst machen vorliegend mit ihrer Klage nur noch eine Unterlassungsverpflichtung bzgl. der vier nach ihrem Vortrag tatsächlich zum Herunterladen bereitgestellten Musiktitel geltend. Eine auf das gesamte Repertoire erstreckte Unterlassungsverpflichtung setzt jedenfalls die Beifügung einer Repertoireauflistung voraus.“

Ein Unterlassungsantrag, der sich auf das gesamte Werkrepertoire des Rechteinhabers bezieht, wäre ohne eine solche Repertoireliste nicht hinreichend bestimmt. Das OLG Düsseldorf führt hierzu aus: „Der Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs kann vom Schuldner als Unterlassungserklärung nicht mehr verlangen, als was er durch eine Titulierung erreichen könnte. Eine Unterlassungserklärung, die auf das gesamte, nicht durch eine beigefügte Liste konkretisierte Musikrepertoire des Gläubigers gerichtet ist, verlagert das Risiko, ob ein unbekanntes Musikstück zum Repertoire des Gläubigers gehört, vollständig auf den Schuldner und benachteiligt ihm daher gegenüber einer titulierten Unterlassungsverpflichtung unverhältnismäßig.

2. Folge: Keine Pflicht des Anschlussinhabers zur Erstattung der Abmahnkosten

Auf Grundlage vorstehender Erwägungen ist der abgemahnte Anschlussinhaber bei einem nicht hinreichend präzisierten Verletzungsvorwurf nicht zur Erstattung der Abmahnkosten verpflichtet. Nach dem OLG Düsseldorf sei einer Abmahnung, die den Verstoß nicht hinreichend erkennen lasse und auch den bereitwilligsten Schuldner nicht in die Lage versetze, eine wirksame Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, eine völlig unbrauchbare anwaltliche Dienstleistung. Im Übrigen könne eine Erstattung der Abmahnkosten auch nicht auf einen evtl. Schadensersatzanspruch gestützt werden, da bereits zweifelhaft sei, ob die Abmahnkosten als ein Schaden verstanden würden, der auf der in der Vergangenheit liegenden Verletzungshandlung beruhe.

3. Zulässiges Bestreiten der IP-Adressermittlung mit Nichtwissen

Wie bereits das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 24.03.2011 entschieden hat, kommt auch das OLG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass ein abgemahnter und dann in einem gerichtlichen Verfahren verklagter Anschlussinhaber berechtigt ist, eine angeblich ordnungsgemäße Ermittlung der IP-Adresse mit Nichtwissen zu bestreiten. Die in dem Verfahren Beklagte habe keinen Einblick in den Geschäftsbetrieb der abmahnenden Rechteinhaber, des „Onlineermittlers“ und des Internetproviders. Insofern sei die Beklagte nach Auffassung des OLG Düsseldorf nicht daran gehindert, die Aktivlegitimation der Klägerinnen, das Anbieten der streitgegenständlichen Musikdateien über die ermittelte IP-Adresse und die Zuordnung dieser IP-Adresse zu ihrem Anschluss mit Nichtwissen zu bestreiten.