Filesharing – Das bleibt in der Familie?

10.05.2017 Die Konstellation kommt häufig vor: Der Anschlussinhaber wird in Anspruch genommen, weil über seinen Internetanschluss Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen begangen wurden. Er möchte sich damit verteidigen, dass er selbst nicht dafür verantwortlich ist – aber er möchte auch keine Familienangehörigen konkret als Täter benennen. Der Bundesgerichtshof hat zu dieser Fallgestaltung zwei neue Urteile veröffentlicht.

Gefestigte Rechtsprechung ist, dass nach den allgemeinen Grundsätzen dem Rechteinhaber der Nachweis für die Täterschaft des Anschlussinhabers (oder eines Dritten) obliegt. Zugunsten des Rechteinhabers spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen den Internetanschluss benutzen konnten. Diese Vermutung kann der Anschlussinhaber erschüttern, wenn er seiner sogenannten sekundären Darlegungslast nachkommt, indem er vorträgt, dass und gegebenenfalls welche Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die sekundäre Darlegungslast soll aber weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers führen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Ist die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers auf diese Weise erschüttert, trifft den Rechteinhaber wieder die volle Beweislast für die Täterschaft des Anschlussinhabers (oder eines Dritten). Strittig war, wie weit die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers gehen, wenn Familienangehörige betroffen sind. Zwei neue Entscheidungen des Bundesgerichtshofes geben hierzu teilweise Auskunft, lassen aber leider immer noch Fragen offen.

Im Urteil des BGH vom 06.10.2016, I ZR 154/15 – Afterlife entschied das oberste Gericht zugunsten des Anschlussinhabers. Dieser hatte seine Täterschaft bestritten und erklärt, dass auch seine Ehefrau selbständig das Internet nutze. Das genügte dem Bundesgerichtshof für die Erfüllung der sekundären Darlegungslast. Auch unter Berücksichtigung des für den Rechteinhaber sprechenden Eigentumsschutzes (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG) überwiege hier der Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG), so dass es nicht zumutbar sei, die Internetnutzung des Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen oder dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Somit oblag dem Rechteinhaber die Beweislast für die Täterschaft des Anschlussinhabers. Im Verfahren wurde der Anschlussinhaber angehört und seine Ehefrau als Zeugin vernommen – und danach blieb für das erkennende Gericht weiter offen, wer für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich war. Im konkreten Fall wurde die Klage des Rechteinhabers deshalb abgewiesen.

Im Urteil des BGH vom 30. März 2017, I ZR 19/16 – Loud schlug das Pendel dann wieder zugunsten der Rechteinhaber zurück. Hier ging es um das Musikalbum „Loud“ der Künstlerin Rihanna. Die beklagten Anschlussinhaber hatten erklärt, sie wüssten, welches ihrer drei volljährigen Kinder die Verletzungshandlung begangen habe; nähere Angaben hierzu haben sie jedoch verweigert. In der Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofes heißt es hierzu, dass die Beklagten im Streitfall ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hätten. Zumindest die Angabe des Namens des Kindes, das ihnen gegenüber die Rechtsverletzung zugegeben hatte, sei den Beklagten auch unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Parteien zumutbar. Habe der Anschlussinhaber im Rahmen der ihm obliegenden Nachforschungen den Namen des Familienmitglieds erfahren, das die Rechtsverletzung begangen hat, müsse er dessen Namen offenbaren, wenn er eine eigene Verurteilung abwenden will. Man darf auf die hoffentlich ausführliche Begründung des BGH für diese Auffassung gespannt sein. Bisher liegt lediglich eine Pressemitteilung zum Verfahren vor, aber nicht die Entscheidung im Volltext.

Ist also nun der Anschlussinhaber auf der sicheren Seite, der behauptet, er wisse nicht, welches Familienmitglied die Urheberrechtsverletzung begangen habe? Hier dürften für beide Seiten erhebliche Prozessrisiken bleiben. In manchen Fällen werden Richter durchaus zu einer eindeutigen Entscheidung kommen, wer persönlich der Täter der Urheberrechtsverletzung war, und weiterhin ungeklärt ist die Frage, wie Gerichte damit umgehen, wenn Ehegatten als Zeugen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO Gebrauch machen.