Freies WLAN für alle?

Bundesgesetzblällter-RückenIn den USA ist es längst zur Gewohnheit geworden: so gut wie jedes Restaurant oder Café bietet seinen Gästen kostenlosen Internetzugriff über WLAN. Nun steht ein Entwurf zur Änderung des deutschen Telemediengesetzes (TMG) an, der dafür sorgen könnte, dass auch in Deutschland endlich ein flächendeckendes Netz an öffentlichen Hotspots zur freien Internetnutzung entstehen kann.

1. Bisherige Rechtslage

Das es Betreiber gewerblicher Netzwerke (z.B. Hotels, Cafés) im Moment noch sehr schwer fällt ihre Netzwerke jedermann zugänglich zu machen, liegt daran, dass diese belangt werden können, sollten Dritte über die bereitgestellte Internetverbindung urheberrechtlich geschützte Werke illegal zum Download anbieten (Filesharing).

Das richtet sich – sofern der Anschlussbetreiber nicht selbst Filesharing betrieben hat – nach der im deutschen Urheberrecht entwickelten Figur der Störerhaftung. Danach haftet für Verstöße wegen rechtswidriger öffentlicher Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) oder Vervielfältigung (§ 16 UrhG) auch derjenige, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt. Das ist dann gegeben, wenn der Anschlussinhaber die erforderlichen Sicherungs- und Prüfpflichten verletzt, soweit solche ihm nach den Umständen zumutbar sind.

Vereinfacht: Störer ist, wer nicht selbst die Werke zum Download anbietet, seinen Internetzugang aber nicht hinreichend schützt um zu verhindern, dass Dritte eine derartige Rechtsverletzung begehen. („Sommer unseres Lebens" BGH, Urteil v. 12.05.2010 - I ZR 121/08). Daher sollten Anschlussbetreiber ihr WLAN derzeit in der Regel sichern und das Passwort z.B. im Fall von Hotels nur auf Grundlage einer entsprechenden Nutzungsvereinbarung an Nutzer herausgeben.

2. Gesetzesentwurf zur Änderung des TMG

Im Juni 2016 verabschiedeten der Bundestag und der Bundesrat eine Änderung des Telemediengesetzes, um die Haftung für WLAN-Betreiber zu beschränken. Das neue Gesetz wird voraussichtlich im Herbst 2016 in Kraft treten.

Dieser Entwurf sieht eine Änderung des § 8 TMG vor, der bisher in Abs. 1 und 2 eine Haftungsbefreiung so genannter Access-Provider (Internetanbieter wie z.B. 1&1) regelt, die für fremde Informationen, die sie lediglich übermitteln, nicht verantwortlich gemacht werden können.
Der dritte Absatz dieser Vorschrift soll in Zukunft lauten:

„(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen."

Hiermit soll die Privilegierung auf Betreiber öffentlicher Hotspots ausgeweitet werden. Der im Entwurf ursprünglich vorgesehene § 8 Abs. 4 TMG wurde zudem gestrichen. Dieser sah vor, dass die Betreiber öffentlicher Netzwerke nur von der Befreiung Gebrauch machen könnten, wenn sie ihre Netzwerke hinreichend absichern würden. Interessant ist hierzu die Gesetzesbegründung in der es u.a. heißt:

„Der Wortlaut der Bestimmungen des Artikels 12 der Richtlinie 2000/31/EG und des § 8 TMG schließt weitere Voraussetzungen oder Prüfplichten für deren Anwendung ausdrücklich aus. Deswegen wurden die im Gesetzentwurf der Bundesregierung in § 8 Absatz 4 TMG genannten Voraussetzungen und Prüfpflichten gestrichen, weil diese mit den unionsrechtlichen Vorgaben unvereinbar sind und das Ziel des Gesetzentwurfes, Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter zu schaffen, verfehlt hätten.

Die Beschränkung der Haftung umfasst horizontal jede Form der Haftung für rechtswidriges Verhalten jeder Art. Das gilt für die straf-, verwaltungs- und zivil- rechtliche Haftung sowie für die unmittelbare und mittelbare Haftung für Handlungen Dritter. Die Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters nach § 8 Absatz 1 und 2 umfasst z.B. uneingeschränkt auch die verschuldensunabhängige Haftung im Zivilrecht nach der sog. Störerhaftung und steht daher nicht nur einer Verurteilung des Vermittlers zur Zahlung von Schadenersatz, sondern auch seiner Verurteilung zur Tragung der Abmahnkosten und der gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der von einem Dritten durch die Übermittlung von Informationen begangenen Rechtsverletzung entgegen."

Bedeutet das alles nun, dass ein Restaurantbesitzer oder jede beliebige Person in Zukunft ein öffentliches WLAN ohne Sicherungsmaßnahmen betreiben kann, ohne für Rechtsverletzungen zu haften?

3. Kritik an der geplanten Gesetzesänderung

Leider weist dieser an sich zu begrüßende Schritt des Gesetzgebers, ein flächendeckendes und für jedermann zugängliches Netz aus öffentlichen Hotspots zu ermöglichen, in seiner Umsetzung Schwächen auf.

Die Regelung baut auf § 8 TMG auf, dessen Anwendbarkeit für Unterlassungsansprüche von Rechteinhabern in der bisherigen Rechtsprechung abgelehnt wurde, da der Geltungsbereich nicht eröffnet sei. Dies wird mit dem geplanten neuen Wortlaut des § 8 TMG nicht klargestellt. Lediglich in der Gesetzesbegründung wurde das Ziel der Ausweitung der Haftungsbefreiung auch auf Unterlassungsansprüche dargestellt. Die Begründung hat aber anders als der Gesetzeswortlaut selbst für die Gerichte nur Indiz-Wirkung und ist damit für diese nicht bindend.

Damit besteht auch in Zukunft keine Sicherheit, dass die Betreiber gewerblicher Netzwerke frei von Abmahnungen durch die Rechteinhaber werden. Es muss abgewartet werden, wie diese Gesetzesänderung von den zuständigen Gerichten umgesetzt und angewendet wird.

4. Schlussvortrag des Generalanwalts auf EU-Ebene

Etwas mehr Klarheit für die Betreiber öffentlicher Netzwerke könnte bald eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bringen. Das höchste europäische Gericht muss demnächst darüber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Betreiber eines WLAN-Hotspots, hier konkret in einem Einzelhandelsgeschäft, für fremde Rechtsverletzungen zu haften hat. In den kürzlich zu diesem Fall veröffentlichten Schlussanträgen des Generalanwalts spricht dieser sich recht klar für eine Begrenzung der Haftung aus. So führt er bezüglich der für die Rechtewahrnehmung entstehenden Kosten (z.B. Anwaltsgebühren für Abmahnung) Folgendes aus:

„... der Anbieter von Diensten der reinen Durchleitung kann nicht für eine durch die Übermittlung von Informationen begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich gemacht werden. Folglich können ihm nicht die außergerichtlichen oder die gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit einer solchen Verletzung auferlegt werden, die ihm nicht angelastet werden kann."

„Außerdem könnte die Verurteilung zur Tragung der außergerichtlichen und der gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit einer solchen Verletzung den mit Art. 12 der Richtlinie 2000/31 angestrebten Zweck, die Ausübung der betreffenden Tätigkeit nicht übermäßig zu beschränken, beeinträchtigen. Die Verurteilung zur Tragung der Kosten der Abmahnung und der gerichtlichen Kosten hat potenziell dieselbe pönalisierende Wirkung wie die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz und kann die Entwicklung der betreffenden Vermittlerdienste in derselben Weise behindern."

Dies zeigt, dass zumindest der Generalanwalt keine Haftungspflicht der Betreiber öffentlicher Hotspots für die rechtswidrige Nutzung durch Dritte annimmt. Ob der EuGH dieser Einschätzung folgen wird, kann erst nach Veröffentlichung des EuGH Urteils abschließend beurteilt werden.

5. Fazit

Bis geklärt ist, wie Gerichte nach der Gesetzesänderung entscheiden, bleibt der sicherste Weg weiterhin das Betreiben eines geschlossenen Netzwerks, also die Herausgabe eines individuellen Passworts und der Abschluss einer Nutzungsvereinbarung. Unter Berufung auf § 8 TMG könnte ab Herbst auch ein offenes Netzwerk betrieben werden, dabei besteht jedoch Unsicherheit ob Gerichte im Fall eines Verfahrens nun die Haftungsbefreiung des § 8 TMG auch auf Unterlassungsansprüche anwenden. Es bleibt abzuwarten, ob möglicherweise ein Umdenken nach dem EuGH Urteil zur Haftung der Betreiber öffentlicher Netzwerke erfolgt. Zunächst ist dabei interessant, ob das Gericht den Empfehlungen des Generalanwalts folgt.